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Kultur- und Nachbarschaftszentrum

Barbara Thalheim (64) gehörte zum Adel der DDR. Tochter eines Kommunisten, der 1931 nach Frankreich emigrierte, dort verhaftet und ins KZ-Dachau gebracht wurde. Er überlebte. Es hat sie geprägt, dass „keiner, wirklich keiner" aus der Familie Nazi war. Sie war stolz auf den Vater, auf dessen Freunde und war begierig auf ihre Geschichten aus der Emigration, aus dem Konzentrationslager. Mit Zwanzig wird sie Mitglied der SED. Sie war von diesem „besseren Deutschland" überzeugt. Die Eltern arbeiteten im Kulturbetrieb der DDR, der Vater war zeitweise Dramaturg bei Walter Felsenstein, dem Intendanten der Komischen Oper.


1972 absolvierte Barbara Thalheim an der Fachschule für Unter-haltungskunst in Ost-Berlin eine Ausbildung zur Schlagersängerin, obwohl sie nie die Absicht hatte, Schlager zu singen. Ein Umweg. Ihre Biografie verzeichnet viele Umwege. Später holte Professor Wolfram Heicking sie an die Hochschule für Musik „Hanns Eisler". Drei Jahre gehört sie zum Oktoberklub, dem bekanntesten Singeklub der DDR. Mit einem klassischen Streichquartett als Begleitband startete Barbara Thalheim 1975 ihre Solokarriere als Singer-Songwriterin. Ihre erste Amiga-Schallplatte „Lebenslauf" erschien 1977. Das war der Durchbruch.


Bis heute veröffentlichte sie mehr als 20 Langspielplatten und CDs, sowie zwei Bücher, erhielt Preise für ihre Lieder. Als Bundesbürgerin wurde sie zwei Mal mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.


Anfang der 70er Jahre unterschrieb sie eine Verpflichtungserklärung für die Staatssicherheit. Ein Fehler, wie sie zugibt, der sich aus dem Kontext ihrer Familien-Biografie erklärt. „Wie bei vielen Emigrantenkindern," schreibt Marlies Menge später in der ZEIT, „ist sie sensibler als andere gegenüber der Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit, entwickelt eigene Ideen von Demokratie, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit und stellt sie offenherzig in ihren Liedern vor." Sie geht auf Distanz. Seit 1978 wird die selbst durch die Stasi observiert.1980 wird sie aus der SED ausgeschlossen. „Aus Gründen der politischen Hygiene" hat Barbara Thalheim ihre Akte (mit Hilfe eines Journalisten des Berliner Büros der Frankfurter Rundschau) Anfang der 90er Jahre selbst öffentlich gemacht.

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Sie begrüßt die Wende, die Zeit der Runden Tische war die hoffnungsvollste Zeit, sie engagiert sich in den Komitees für Gerechtigkeit. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten war für sie, wie für viele Intellektuelle und Oppositionelle der Wendezeit, ein Anschluss. „Ver-Einigung – verräterisch, die deutsche Sprache" Sie wollte mehr. Und zwar für beide Seiten! Jedoch trauert sie der alten DDR nicht nach. 1993 geht sie nach Paris. Das Programm „Fremdegehen", das dort entstand, erhält Preise und euphorische Kritiken.

„Deutschland von außen leben" scheint für sie sehr wichtig zu sein. Gerade ist sie von einer Chile-Reise zurückgekehrt. Ein Satz des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard hat sie sich zum Motto erkoren: „Leben kann man nur vorwärts, Leben verstehen nur rückwärts".

Barbara Thalheim trat zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum mit Teilen ihres Programms „Lebenslauf" im RuDi auf und über 100 Zuschauer lauschten ihrem Konzertausschnitt. Sie eröffnete damit eine Ausstellung über ihr Werk und Wirken. Die KIEZ GALERIE im RUDI zeigt diese Ausstellung einer „BILDENDEN KÜNSTLERIN" ein, die in ihrem Leben kein einziges Bild gemalt, keine Grafik, kein Foto gemacht, keine Plastik modelliert hat.


Und doch ist die Liedermacherin Barbara Thalheim auf ihre Art eine „Bildende" Künstlerin, weil wir durch ihre Lieder zu anders Sehenden werden.
Wir versuchen diese Biografie in Form von Bild- und Archivmaterial, sowie durch Filme und Videos sichtbar zu machen. Es wurde der Dokumentarfilm „Ich bin zum Sehen geboren" in Anwesenheit des Regisseurs Joachim Tschirner gezeigt und der zeigte nochmals eindrücklich das Credo dieser Künstlerin.
Lassen Sie sich also von dieser Werkschau überraschen!

Die Laudatio der Vernissage hielt der langjähriger Freund Barbara Thalheims, Dr. André Brie, DIE LINKE, MdL Mecklenburg Vorpommern.

Die Ausstellung kann bis zum 15.05.13 besucht werden.